12.12.2022
In den Stunden der letzten Woche ging es um Gefühle. Doch vorab haben wir die ersten Stunden zusammengefasst: Wir haben festgehalten, worin der Unterschied liegt zwischen „Glück haben“ und „glücklich sein“: „Glück haben“ ist von kurzer Dauer und nicht durch sich selbst bestimmt. „Glücklich sein“ ist eine Entscheidung, ein Zustand, Eigenverantwortung. Wenn man glücklich ist, prallen schlechte Gefühle (die alle ihre Berechtigung haben) schneller ab (Resilienz); man wird widerstandsfähiger.
Nicht jeder hatte seinen Glückshefter mit; die meisten haben sich dafür bei mir entschuldigt. Einige haben auch das Interview nicht durchgeführt, wieder andere haben stolz die Antworten vorgelesen.
Es folgte eine Geschichte von dem kleinen Marienkäfer Eckhart, die ich den Kindern im Sitzkreis vorgelesen habe. Alle Klassen waren aufmerksam und hätten am liebsten noch länger zugehört. Aber die Geschichte hatte ein Ende bzw. eben keins. Das sollten die Kinder selbst erfinden. Lassen Sie sich die Geschichte von ihrem Kind erzählen und schauen Sie sich auch das selbst geschriebene oder gemalte Ende der Geschichte ihres Kindes an. Die Enden sind sehr unterschiedlich. Manche wollen die Elfe umbringen, manche lassen sie einfach stehen. Einige stellten der Elfe Fragen und unterhielten sich mit ihr. Fragten, warum sie die glücklichen Gefühle überhaupt möchte und wieder andere haben ihr die Hälfte ihrer glücklichen Gefühle angeboten. Einige schrieben das Ende als große Geburtstagsfeier gemeinsam mit der kleinen Elfe. Denn: Elfen sind die guten Seelen des Waldes. Einig waren sich 99,9% der Kinder, dass wir unsere glücklichen Gefühle nie hergeben würden.
Was sind eigentlich glückliche Gefühle? Den Kindern fiel es schwer, außer Freude und Fröhlichkeit weitere zu finden. Klassenweise allerdings sehr unterschiedlich. Liebe als Gefühl wurde auch genannt. Eher konnten die Kinder Situationen beschreiben ohne das spezielle Gefühl benennen zu können: wenn man gewinnt, wenn man etwas geschafft hat, wenn man sich auf die Mama freut, die von der Dienstreise kommt oder der Papa Zeit zum Spielen hat oder man die Großeltern besucht oder zu einer Feier eingeladen ist oder weil es schneit – überall da haben sie schöne Gefühle.
Dann habe ich sie gebeten, einen Kreis zu zeichnen. (Auch hier könnte man wahrscheinlich Studien betreiben: die dritte Klasse benutzt den Zirkel, die zweiten Klassen haben noch keinen. In diesen Klassen kommen einige auf alternative Ideen und nehmen sich ein Loch im Lineal und einen Bleistift...andere fragen nach einer Form und wir nutzen den Deckel eines Eimers und die meisten malten einfach einen Kreis (Ei, Kartoffel,...) die exakte Form war egal. Wichtig wurde doch erst der Inhalt. Wie viel Anteil haben welche Gefühle in dir? Wie viel fühlst du dich glücklich? Wie viel Wut oder Angst hast du in dir? Wir haben dann alle Gefühle zusammengetragen, die den Kindern eingefallen sind. In einer Klasse hatte ich die Tafel voll von Gefühlen, in anderen haben wir uns auf 4-6 Gefühle beschränkt. Jedes Kind wählte seine Farbe, die es mit einem Gefühl verbindet und zeichnete „Tortenstückchen“ in seinen Kreis. („Glückskompetenz“ ist nicht nur sowieso ein ganzheitliches Fach, sondern kann – wirklich implementiert in den Unterrichtsalltag/Lehrplan – tatsächlich fächerübergreifend auch Mathematik begreifen lernen. Deutsch und Kunst implementieren wir durch Vorlesen und Schreiben und Malen. Dadurch fördern wir auch den Ästhetischen Bildungsbereich: das Bildnerische, das Kreative, das Gestalterische – den Ausdruck durch verschiedene Medien.)
Zurück zu den Kreisen: es gab auch hier alles, alle Facetten. Und da kommen die Eltern wieder ins Spiel: Sprechen Sie mit Ihren Kindern über den Kreis. Über die Gefühle der Kinder. Warum empfinden sie soviel Trauer? Warum ist soviel Wut in ihnen? Wovor haben sie Angst? Warum fühlen sie sich zeitweise eklig? Und es gibt auch unbestimmte Gefühle. Nicht immer kann man den speziellen Ausdruck für ein Gefühl finden – allerdings kann man sich über sein Empfinden und seine Gedanken austauschen. Darum geht es. Dass wir als Eltern immer mal wieder die Kinderperspektive einnehmen bzw. diese uns immer wieder bewusst ist. Unsere Kinder sind im Alltag in der Schule enormem Stress, Zeitdruck, Anspannung, Lautstärke ausgesetzt. Dazu kommen noch Zwistigkeiten auf menschlicher Ebene...10 Minuten Frühstückspause nach der ersten Stunde sind viel zu kurz. Also zu kurz, um zu frühstücken, auf Toilette zu gehen und auch noch die nächsten Unterrichtsmaterialien bereit zu legen. Für die Lehrer sind diese 10 Minuten auch keine Pause. Sie müssen meist das Zimmer wechseln und kommen weder zum Trinken oder Essen. Die nächste Pause ist Hofpause. Hier vergessen alle Kinder das Essen und Trinken, denn sie gehen schnellstmöglich nach draußen. 5 Minuten vor Beginn der Stunde klingelt es wieder und die Kinder müssen rein. Sie schaffen es geradeso, sich wieder auszuziehen...Und haben dann Hunger oder Durst...Also ist es nicht verwunderlich, dass die Brotbüchse und auch die Trinkflasche mal nicht leer sind.
Durch meine Tätigkeit bekomme ich u.a. diese Einblicke in den Schulalltag und möchte Sie daran Anteil haben lassen. Sicher interessiert es Sie auch, wie sich der Schulalltag so gestaltet. In vielen Klassen gibt es Kinder, die einen extra Förderbedarf haben. Dafür gibt es meist eine verantwortliche Person, eine Studentin, eine FSJ-lerin, eine 1 zu 1 Betreuung durch eine Pädagogin. Diese gehen mit den Schülern meist auch in einen anderen Raum. Manchmal, um die gestellte Aufgabe einzeln und in Ruhe machen zu können; manchmal aber auch nur, um das Kind rauszunehmen.
Schule sollte ein Wohlfühlort sein, eine Lernstätte mit einer Atmosphäre, die Lust aufs Lernen macht. In der die Schüler zu Stundenbeginn nicht nur körperlich, sondern auch geistig anwesend sind. Leise sind, weil sie Lust aufs Lernen haben. Und allen Kindern liegt die Neugierde, der Wissensdrang inne. Wodurch ist er vielen abhanden gekommen? Oder was braucht es von außen, von uns Pädagogen, Eltern, dass die Kinder daran wieder Freude haben? Ich glaube, dass es den meisten immer nicht nur noch immer inne wohnt, sondern auch, dass sie es gerne nutzen möchten. Und das Schulsystem gibt ihnen nicht den Raum, dies in reiner Selbsterfahrung zu entdecken. Deshalb sind wir Pädagogen und Eltern noch mal mehr gefragt. Wir haben eine große Verantwortung. Wir erziehen jetzt die Kinder, die die Zukunft sind. Wie möchten wir unsere und die Zukunft für unsere Kinder und Enkelkinder?
Vielleicht sollten unsere Kinder auch zu Hause dabei unterstützt werden, in Ruhe spielen zu können; vielleicht sollten wir viel mehr Raum schaffen für Stille, fürs Zuhören und sanfte besinnliche Momente. Momente, in denen wir uns nur dem Kind widmen und ihm zuhören. Das Handy beiseite lassen. Nichts ist wichtiger als unsere Kinder.
Dass sich die Gesellschaft verändert hat, in den letzten 40 Jahren noch mal anders und schneller, steht außer Frage. Nur: wie wollen wir, dass unsere Gesellschaft ist? WIR bestimmen es. Erinnern wir uns zurück an unsere Schulzeit in der Grundschule. Was war anders als heute? Die Lehrer? Das Schulsystem? Die Strenge? Oder die Gesellschaft? Ich empfinde rückblickend, dass es viel mehr ein Miteinander war. Es gab keine Prügeleien, keine Ohrfeigen untereinander. Wie empfinden Sie es? Was ist Ihrer Meinung nach der Unterschied und was braucht es heute? Was können wir tun, damit sich unsere Kinder an ihrer Schule wohl fühlen und gerne lernen, wissen, wie man lernt und praktisch und lebensnah lernt, damit sie ihr eigenes Leben meistern können. Ich freue mich wirklich über alle Kommentare. Denn ich möchte etwas verändern - für uns, unsere Kinder, unser aller Zukunft, für unsere Gesellschaft.
Nächste Woche zeige ich den Kindern anhand des Faltens eines Papierfliegers, wie das Gehirn funktioniert. Lassen Sie es sich von Ihrem Kind erklären. Sie werden Neues erfahren und ihr Kind hat es im besten Fall verstanden.
Ich freue mich sehr auf die weiteren Stunden mit ihren Kindern. Und jedes einzelne Kind ist einzigartig. Jedes einzelne Kind hat seine Kompetenzen. Leider schafft es das Schulsystem nicht, Kinder zu stärken, sondern es arbeitet leider defizit-orientiert.
Wir als Eltern müssen unsere Kinder (be-)stärken. Kein Kind sollte angespuckt, getreten oder geschlagen werden. Kinder sollten sich untereinander nicht verletzen, weder körperlich noch verbal. Ich kann in meinen Stunden nur ein Samenkorn setzen für das individuelle Glück jedes einzelnen Kindes. Und nehme Sie durch diese Zeilen mit auf diese Reise. Begleiten Sie Ihr Kind dabei, reisen Sie mit.